Mittwoch, 28. Oktober 2020

normal life

 Hey Folks, 

Trinke grad übelst dekadent nen Nachmittagskaffee mit aufgeschäumter Milch und AGARVENDICKSAFT (fragt nicht), obwohl ich gar keinen Kaffee mag, aber jetzt im Erwachsenenlife irgendwie schon. Es war immer meine konkreteste Vorstellung vom Erwachsensein, Kaffee aus purer Freude zu trinken. Und nun ist es so weit gekommen.  

Außerdem befand ich mich heute zum wiederholten Mal in der Situation, ArbeitskollegInnen außerhalb der Arbeit, aber genau genommen noch im Arbeitsterrain anzutreffen, ohne ihnen begegnen zu wollen. Burgunde, die Fast-Rentnerin mit Steppjacke blondiert seit geraumer Zeit ihre Haare nun nicht mehr, sondern lässt das grau einfach rauswachsen. "Was soll's? Irgendwann ist es ja auch an der Zeit und meine Friseurin meinte auch, es steht mir!" Flötend und beschwingt läuft sie genau in dem Tempo von der Bahn bis zur Arbeit vor mir her, sodass ich ultra langsam gehen muss, um einer Unterhaltung über das Wetter und Coronaleugner aus dem Weg zu gehen, zu der ich früh am Morgen nun wirklich keine Lust habe. Dadurch verliere ich die Minuten, die ich heute endlich mal früher losgefahren bin. Würde ich allerdings schneller gehen und sie sich umdrehen, würde sie ja sehen dass ich hinter ihr her schleiche, ohne nen Schnack zu beginnen (auf den sie wahrscheinlich genau so wenig Bock hat wie ich). Überholen und einfach ignorieren geht ja wohl auch schlecht. 

Auf dem Rückweg genau das Gleiche, diesmal mit Sabine von meiner Station, die mir noch IM KRANKENHAUS nen schönen Feierabend gewünscht hat. Dieser beginnt also dann doch zwangsläufig mit nem unangenehmen Smalltalk auf dem Weg zur Bahn. Ich merke schon, dass wir das gleiche Tempo haben. Nehme eine "Abkürzung" und versuche so unauffällig zu überholen - Fehlanzeige, wir treffen GENAU NEBENEINANDER wieder aufeinander. Ich so: "Naaa, fährst du auch mit der Bahn?" Dementsprechend geht das Gespräch weiter, bis sie mich am Gleis darauf hinweist, dass ich ja vorne einsteigen müsse, dabei weiß sie doch gar nicht wo ich wohne. Puuuh, grade nochmal gut gegangen, sonst wären uns noch die Themen ausgegangen. 

After work heute nen Achsamkeitsspaziergang unterm Regenbogen gemacht und tatsächlich Blätter und Beeren gesammelt für die Herbstdeko. #adultlife 

                                                                    HERBSTLEUCHTEN 






Freitag, 9. Oktober 2020

i wish

 


Heute ging mir mal wieder ein Licht auf: "DRUCK" haben kann man sich tatsächlich sehr gut bildlich vorstellen. Wenn etwas auf einen drauf drückt, von welcher Seite auch immer...dann gibt man unter diesem Druck irgendwann nach. Und wird zusammengequetscht oder bricht unter der Last zusammen. Das kann dann so aussehen, dass man um sich schlägt oder die Mütze seines schreienden Babys quer durch die Bahn wirft. Leute anschreit oder heimlich auf dem Klo heult. Rückenschmerzen bekommt oder einfach umfällt. Sich aus Überforderung nur noch von Chips und Pizza ernährt. Sich klein fühlt und keinen Platz mehr hat für seine eigenen Gedanken. 







Samstag, 11. Juli 2020

Millenial

Es ist nur ne Woche her, da war ich noch ein verträumter junger Mensch Anfang zwanzig ohne größere Pflichten und Ambitionen. Ließ mich so treiben, machte Pläne höchstens zwei Tage im Voraus und war bis vor kurzem finanziell abhängig von meinen Eltern. Musste noch nicht wissen, was ich denn wirklich wollte, ne Ausbildung erstmal machen aber wenn’s doch nicht das Wahre war, hatte man ja eh noch ewig Zeit, doch was anderes zu machen und zu studieren, nochmal zur Selbstfindung reisen zu gehen usw. Das ganze Leben lag ja noch vor einem. Bloß keinen Stress, wer weiß denn heutzutage schon, was er*sie wirklich will? Gedanken und Gespräche über die Rente, Kinderwünsche, Steuererklärungen, allgemeine Zukunftsplanung, Hochzeiten, Rollrasen, Tagesschau und lebenslange Partnerschaften waren was für Spießer, im hier und jetzt leben war angesagt.
Tja... vorbei ist es nun mit dem Spaß, mit der Blütezeit meiner Jugend, dem verantwortungslosen, freien, sorglosen Dasein. Nach dem Überschreiten der unsichtbaren Grenze nähere ich mich nun unweigerlich der 30 und gehöre ab jetzt zu den Mittzwanzigern. Mitte zwanzig... da sollte man dann doch auf einmal schon irgendwie mitten im Leben stehen ein Minimum an Kompetenz ausstrahlen.
Irgendwas cooles machen, was erreicht haben, am besten spirituelle Weisheit.
Wünschte ich wäre Mitglied einer Band, Surflehrerin oder beides, wünschte ich würde bei Regen keine schlechte Laune bekommen sondern trotzdem zelten gehen, wünschte ich würde in einer Kommune leben und nicht grad in meinem grün-gelb gestrichenen Jugendzimmer abhängen und mich dabei NICHT wie eine autonome Mittzwanzigerin verhalten. (Mein nächstes Zimmer sollte ich wieder mal in bunten Farben streichen, es gibt mir irgendwie ein heimisches Gefühl) Wünschte ich könnte meine Meinung vor allen möglichen Leuten selbstsicher vertreten und Diskussionen zu relevanten Themen führen, wünschte ich würde nicht so oft aus Überforderung anfangen zu heulen und mir sicher(er) sein über meine Berufswahl, den Sinn des Lebens, die Liebe, meine Beziehungen zu anderen Menschen, meine Wochenendpläne, meine Outfitauswahl und vieles mehr.
Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Je älter ich werde, desto weniger weiß ich was ich will und zwar in jeglichen Bereichen meines Lebens. Das Privileg der angeblichen Entscheidungsfreiheit zwischen endlosen Möglichkeiten kann da auch nicht ewig als Begründung herhalten.
Fast jede getroffene Entscheidung lässt mich dennoch im Nachhinein zweifeln, ganz zu schweigen von in Zukunft anstehenden Fragen des Lebens. Was ich im einen Moment für richtig halte, das kommt mir im nächsten wieder falsch und undurchdacht vor. Ständig falle ich mir in Gedanken selbst ins Wort, sodass eine ordnungsgemäße Teilnahme an meinem eigenen Leben nicht möglich ist.
Was also habe ich erreicht? Eine staatlich anerkannte Prüfung zur ausgebildeten Ergotherapeutin erfolgreich abgeschlossen. Alltagstherapeutin, Arbeitstherapeutin, Lösungssucherin, Alles-und-nichts-Therapeutin könnte man mich auch nennen. Die Ausbildung überlebt. Einen Job gefunden. Einen Haushalt führen gelernt (mehr oder weniger). Bald mit dem Schatz zusammenwohnend.
Mich selbst gefunden. Haha Spaß. Wenn dann nur kurz und mich gleich wieder verloren. Partys gefeiert. Mich ausprobiert, ein bisschen (kommt ja immer auf den Vergleich an). Nicht gewusst, was ich wollte. In Städten gelebt. WG-Zimmer gefunden, Mietverträge unterschrieben und gekündigt. Schlaue Bücher gelesen und mich mega erwachsen und intellektuell gefühlt. Mehr oder weniger radikale Meinungen gehabt und sie wieder geändert. Freunde gewonnen. Fremde Menschen kennen gelernt.
In romantischen Komödien feiern 30-40jährige dauernd in schicken Clubs ab, gehen regelmäßig in Bars, lernen Leute kennen, flirten rum und sehen dabei auch noch gut aus. Wohnen in stylischen WGs mit ihren FreundInnen und verdienen ihr Geld nebenbei, während sie aber vorwiegend andere hippe Dinge tun und sich anscheinend keinerlei erwachsene, zukunftsträchtige Gedanken machen sondern einfach nur Spaß haben. Geil wärs, aber leider sieht die Realität anders aus: Man zieht aus der chaotischen WG in eine eigene Wohnung oder gar mit dem*der PartnerIn zusammen, sieht die Freunde seltener, unterhält sich über Gehalt, Jobaussichten, Kinder und Handtaschen.
Zurzeit mal wieder etwas düster-dystopisch drauf, aber es tut doch immer wieder gut, sich dem Tagebuch anzuvertrauen und mein zynisch-nett-gemeinter Ratschlag an mich selbst lautet heute:
LEB DOCH MAL. Würd ich mir sogar als Wand-Tattoo in die Küche hängen.


                                       
                     Mein aktueller Crush *.*

Donnerstag, 30. April 2020

In a town don't taste like it used to

"Ich entziehe einem Volk das Vertrauen, das glaubt, totale Durchleuchtung schade nur dem, der etwas zu verbergen hat. 
Ich entziehe dem allgemeinen Wohl das Vertrauen, weil es Selbstbestimmtheit als untragbaren Kostenfaktor sieht. 
Ich entziehe einer Politik das Vertrauen, die ihre Popularität allein auf das Versprechen eines risikofreien Lebens stützt. 
Ich entziehe Eltern das Vertrauen, die ein Baumhaus "Verletzungsgefahr" und ein Haustier "Ansteckungsrisiko" nennen."

          -Juli Zeh in "Corpus Delicti - Ein Prozess" 

UFF - was für ein Buch! Verstörend und deprimierend zu lesen in diesen Zeiten und wohl auch sonst. 
Aber durchaus sehr gut und erwähnenswert, empfehlenswert, diskutierenswert. Cranke times sind das.

So...what to do and where to go? Ich so: Yoga praktizieren, mein Handy anstarren, Masken nähen, telefonieren und dabei nichts Neues zu erzählen haben, Möhrenkuchen backen, meine Eltern erziehen, vergeblich nach Inspiration suchen, mich um Erwachsenendinge wie die Krankenkasse kümmern, aufs Erwachsenenleben warten, Zeitung lesen, denken ich würde nicht genug Nachrichten konsumieren, mich über die Nachrichten aufregen, Fahrradtouren machen, mich unbedeutend fühlen, dem Schweigen meiner Eltern lauschen und mitmachen, durch den Regen joggen und mich über Schnecken und die feuchte freshe Frühlingsair freuen... Wow diese Alliteration ist der derzeit einzige Höhepunkt meines Schriftsteller-Daseins. 
Sitze hier unter der Käseglocke, neben mir mein Leben, verpackt in Kartons. Wir warten darauf, dass es weitergeht. Aber wohin überhaupt? Und ist das nicht eigentlich auch superegal? Wünschte ich wäre "not done yet". Ich fürchte aber ich bins. 







Mittwoch, 18. März 2020

Apokalypse

Impressionen des Untergangs

"Viktoria, du kannst immer in die Matschpfütze springen, IMMER... aber HEUTE NICHT!", keift die Mutter hysterisch ihr Kind an, das die Welt nicht mehr versteht und nun heulend unter den Arm geklemmt wird. 

"NUR EINE ROLLE KLOPAPIER PRO PERSON! JEDER HAT DAS RECHT AUF KLOPAPIER!" 
Durchsage per Lautsprecher bei Budni.  

Habe noch nie so viele Menschen draußen spazieren gehen, joggen, Sport machen, ihre Kinder und Hunde ausführen sehen wie in den letzten paar Tagen. Sehe in meiner Nachbarschaft auf einmal Leute, die ich in den drei Jahren, die ich hier wohne, noch nie gesehen habe, weil sie offenbar immer nur arbeiten. 
Der Supermarkt ist zu jeder Tageszeit ausgesprochen gut besucht, die Konsumenten drängen sich auf engem Raum aneinander vorbei, einige offenbar sorglos, andere mit Handschuhen und Maske bewaffnet und peinlich darauf bedacht, den Sicherheitsabstand von 1-2m zu wahren.
Dagegen hat sich der Baumarkt nach Schließung der Clubs und anderen öffentlichen Räumen zum neuen place-to-be entwickelt. Hier stehen die Leute nun Schlange und der Türsteher lässt jeweils nur eine bestimmte Anzahl von Leuten rein.  
MitbewohnerInnen und andere zusammenlebende Individuen gehen sich auf den Sack, die Meinungen auseinander, es wird den ganzen Tag nur über DAS EINE gesprochen. 
Freiheitsentzug oder berechtigte Sicherheitsmaßnahmen? Mainstream-Medien oder schnell als Verschwörungstheoretiker verurteilte Andersdenker? Wem soll man glauben? Was darf man noch sagen? 
Fest steht: Die Situation nervt! Also zurzeit ist es ja noch ganz witzig... Aber auf Dauer hatte ich eigentlich andere Pläne als zuhause rumzuhocken und mich mit Stifte anspitzen und Wollmäuse züchten zu beschäftigen. 

                      Bildergebnis für hamsterkäufe