Sonntag, 31. Oktober 2021

Goldener Oktober, Ambivalente Amphibien & other stories

Bin weit weg von allem in Stille und Weite, keine Struktur in mir und um mich und mein Kopf ist leer. Keine Ideen die sich überschlagen, keine Menschen die meinen Kopf bevölkern, keine Pläne und kein nervöser Blick aufs Handy. Keine ständige Reaktionsbereitschaft und News-Geilheit. Das ist es nämlich: Ständig in Erwartung auf neue informationen stehe ich sonst bereit, auf eintrudelnde Nachrichten zu reagieren. Lasse davon wie ferngesteuert meinen Tag bestimmen, was würde ich mir wohl sonst erdenken wenn mein Kopf mal leer laufen würde? Stattdessen wird mein Denken in bestimmte Bahnen gelenkt durch die Bilderflut beim Scrollen, den hottest gossip von meinen Freunden, fremden Leuten die in Podcasts labern und das Rauschen der Stadt. Laufe mit auf Sendung gestellten Antennen durch die Gegend auf der Suche nach dem place to be, den things to do und den peoples to meet. 

Zurück in Big-City eben dieses: alle Menschen die ich kenne rauschen wie automatisch durch meine Gedanken, ohne dass es dafür einen bestimmten Anlass gäbe. Ich weiß sie einfach in meiner Nähe, schätze ich. Physisch sowie virtuell, will am liebsten jede Idee für mögliche Aktivitäten direkt mitteilen. Fabuliere über große Zusammentreffen mit der ganzen Familie, Wochenendtrips mit Freundinnen, fühle mich seltsam verloren in meinem Leben und bin kurz davor, eine Bekannte zu kontaktieren, zusammen zum Herbstmarkt, ins Cafe oder was auch immer. Weiß aber gleichzeitig, beim Treffen würde ich mir doch direkt wieder wünschen, allein zu sein und unabhängig meinen Tag zu gestalten, läuft es bei einem solchen Kaffeetrink-Date doch sowieso immer aufs Gleiche hinaus und mir beim Gedanken daran kalt den Rücken hinunter: Höfliche Gespräche über Jobwechsel, die dann doch nicht vollzogen werden, WAS MAN DENN GRAD SO MACHT, den krankhaft eifersüchtigen Freund und deren kungesunde Beziehung, über die ich mich zwar ehrlich, aber doch nicht ZU direkt äußere, da wir eben nur BEKANNTE sind. Feststellungen, dass man doch UNBEDINGT MAL dies und jenes zusammen machen sollte und Schwelgen in alten Erinnerungen (sollte es sich statt der Bekannten um eine langjährigere Freundin handeln). 


Grade rechtzeitig kriege ich zum Glück noch die Kurve und jogge nach einem Telefonat mit meiner geliebten Blow Jo unter goldbunten Bäumen am Wasser entlang, um mich herum im Gleichschritt trottende Sonntagsspaziergänger. Wenn ich ehrlich bin, fühlt man sich wie auf einem Fließband, nur dass man selber die Füße bewegt. Aber in der Menge dieser unendlich wogenden Masse an spaziergehenden, arbeitenden, liebenden und streitenden, fühlenden, lebenden Menschen erkenne ich nur schwer noch einzelne Gesichter und ich erkenne fast nicht mehr die Landschaft um sie herum. Auf einmal kommt es mir so vor, es wären zu viele auf zu wenig Raum, seltsam unnatürlich drängen sie sich in Schlangen vor Cafes und in der U-Bahn und im Schwimmbad und auf den Spazierwegen, verträumt schlendernd in diesen Gegebenheiten, als würden sie gar nicht mehr merken, wie wenig Raum um sie rum und zum Denken übrig ist.

Wenn meine Texte zu lang werden, kriege ich wieder Platzangst und weiß nicht wie ich sie beenden soll. Irgendwie plättet mich diese Menge an Buchstaben… 


Die Gespräche um mich herum im Cafe in dem ich nun Carrie Bradshaw like sitze beruhigen mich irgendwie, ich frage mich unterdessen warum die Eidechse im hohen Norden letztens steif und frierend um diese Jahreszeit noch über den Bürgersteig gekrochen ist. Vielleicht weiß sie auch nicht was sie will? Trinke noch einen Cappuccino mit Hafermilch. 

Andererseits weiß ich ZIEMLICH VIELES, was ich will. Aber oft auch nur temporär. Wenn ich ganz mutig drauf bin, will ich grade ein Sonnenblumen-umwobenes warmes Haus mit Gemüsebeeten und Obstbäumen im Garten und hohem Gras, Katzen liegen träge in der Herbstsonne und blinzeln vertrauensvoll in die Welt, dabei sehen sie immer so aus als würden sie zufrieden lächeln. Das Haus steht optimalerweise nahe am Meer, ich lebe den Surfer-Lifestyle und bin vom Beobachten und Observieren der Wellen völlig gelassen geworden. Freunde kommen vorbei, um eine Auszeit von ihrem Leben zu nehmen. Wobei ich ihnen natürlich auch ein möglichst entspanntes Leben wünsche, von dem sie gar keine Auszeit brauchen. Ansonsten bin ich natürlich nicht alleine, sondern mit meiner geliebten Person, den Katzen und Kindern? Zum Frühstück esse ich Spiegelei von eigenen Hühnern. Auch sonntags um 16Uhr. In meiner Stadt gibt es leider kein Frühstück mehr am Sonntag nachmittag. Vielleicht doch ein Punkt, der für New York spricht. Los Angeles spricht mich neuerdings auch sehr an, ich führe Beziehungsstreits auf Basis von Wertekonflikten bei „The L-Word“. Anscheinend haben wir sonst nichts worüber wir streiten können? Oder projizieren eigene Probleme auf die Serien-Charaktere. 


Habe lange Listen von Büchern, die ich gerne lesen möchte, Dingen die ich besitzen und mir erarbeiten möchte, Kleidung die ich benötige und andere die ich aussortieren möchte, Wissen dass ich erlangen will und 100 Ideen für meine berufliche Zukunft. Möchte alle Orte der Welt sehen und alle Menschen kennen, um zu VERSTEHEN. Die Frage ist aber WANN und in welchem Ausmaß? Und die weitere Frage ist: Wie privilegiert bin ich eigentlich? Dass ich so viel wollen darf? 


Manchmal denke ich ICH WÄRS und ich hätte das Leben geblickt (so wie Urs in „Die dunkle Seite des Mondes“ aufm Trip-mit der Aussage kann ich relaten), dann wieder merke ich dass ich nur eine von vielen auf einem Fließband bin. Und dass ich Ereignisse und Unterhaltungen und Momente direkt nach dem Erleben vergesse und weiter im Jetzt bin. Im Lebensbuch einfach weiter blättere. Was ja auch gut ist. Aber wofür ist am Ende dieses bunte Bilderbuch? WAS BIN ICH in diesem großen Universum? Es kommt wohl auf die Perspektive an. Ich hoffe, wir können alle unseren Raum finden, in dem wir besonders sein können und unserem inneren Pfad folgen können. 

UFF. Das wurde ja jetzt ganz schön metaphysisch und Melo-philosophisch. 


Was ist grade euer Lieblingslied? Meins das hier: Bohemian Grove 

Fühlt euch geliebt vom Universum. 

Sonntag, 6. Juni 2021

what if

 Manchmal, wenn der Sommer so richtig dolle ist, aber irgendwie trotzdem so dass man sich fragt IST DAS JETZT DER SOMMER, wird mir ganz schlecht und ich kann auf einmal nichts mehr essen und meine Haut, die mich von der Welt um mich herum trennt scheint ganz dünn und durchlässig zu werden und ich bekomme eine seltsame allgegenwärtige Furcht, eine unerklärbare Ernsthaftigkeit. 

Der intensive Geruch nach See und in der Sonne getrockneten Holzbohlen weht durch die Straßen und die Erinnerung an lässige Karo-Hemden und Sorglosigkeit, Longboards, Lagerfeuer, und Volleyball kommt wieder hoch. Und ich befinde mich wieder in der Mitte der Welt, der Insel im See und gucke von da auf die Welt und warte darauf das irgendwas passiert, warte auf ein Zeichen, warte auf den einen Moment. 

Naja das tue ich glücklicherweise nun nicht mehr. Solche intensen Feelings gibts ja heutzutage gar nicht mehr ;) Aber eine vergessen geglaubte Wehmut kommt dann doch auf und ich frage mich nur ein kleines Bisschen, was passieren würde wenn wir uns wieder sähen. Denn manchmal glaube ich, ich würde in 1000 Scherben zerspringen wenn du mich nur ansiehst. Und ich frage mich nur ein kleines Bisschen, ob alles hätte anders kommen können und will so sehr, dass du mich trotz allem magst. Was eine hypothetische Annahme ist, denn das Du und Ich von damals gibt es nicht mehr. Aber ganz tief vergraben ist noch ein Stück davon in mir und das bereitet mir jetzt wieder dieses sich zusammenziehende Gefühl in meinem Bauch, wenn sie deinen Namen sagen. Und dann wünsche mich eine Schulter zum Anlehnen und möchte nur ein bisschen weinen oder sowas.

Sonntagmorgen, ich höre Balladen, die Luft ist schwer und riecht nach Sommerregen, der seit gestern über der Stadt hängt und genau wie die Wolken warte ich auf den einen Moment der Erleichterung, vielleicht weil es keinen Anfang und kein Ende gab? Denn ansonsten könne ich ja mal einfach weiterleben. Mache ich ja auch. Aber trotzdem grad diese Unterströmung in meiner Gefühlswelt.                                           Und gleichzeitig so viel Liebe für die tolle Welt um mich herum, für die lieben Menschen, die Natur, die Musik, die Bewegung. That's just too much for me 

-es ist wieder Nacktschneckenzeit! 

dramatic

ich bin einfach grade dieses Lied 


latest gelesene Bücher, für gut befunden: 
"Die Mitte der Welt" (poetisch und deep, Family Story)
"Das Café am Rande der Welt" (einfache aber wahre Lebensweisheit) 
"Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen" (Schizophrenie)









Montag, 22. März 2021

Mein Corona-Jahr

Es war vor nun nicht mehr als einem Jahr, als plötzlich, an mir zunächst komplett vorbeigegangen, das Zeitalter der Pandemie eingeläutet wurde. Durch regelmäßige gemeinsame Lernsessions hatte ich die Monate zuvor nicht nur sowieso zumeist brav drinnen verbracht, sondern auch von der "Welt da draußen" nicht viel mitbekommen und hielt das ganze erstmal für einen schlechten Scherz. 

Mitten im Umzug und Examen wurde der Notstand ausgerufen, auf einmal war der Kontakt zu anderen homos sapiens potentiell gefährlich, einziges Highlight blieb der wöchentliche (oder tägliche) Supermarktbesuch sowie GNTM -und Streichpartys mit den Noch-Mitbewohnis. Zudem machte es ganz am Anfang noch richtig Spaß, sich möglichst umfassend mit dem Corona-Virus zu befassen, um mit seinem Wissen vor anderen prahlen zu können und suspekte Informationsquellen an Bekannte und Freunde weiterzuleiten. Schnell führte dies jedoch zum Eklat und um ein Haar wären Freundschaften auseinandergegangen, Verwandtschaften gekündigt worden. Daraufhin wurde das ein oder andere Mal meinerseits der politische Kurs geändert, es machte bald weniger Spaß, alle mit dem Thema zu belästigen oder belästigt zu werden. Ich traf mich jeden Tag mit einer anderen Person zum obligatorischen Spaziergang (war ja so erlaubt, aber wahrscheinlich nicht so gemeint), lebte back im Elternhaus und erreichte desöfteren Bildschirmzeiten von 6 Std. am Tag. Außerdem ergab sich eine kurze Phase des Online-Shoppings bei Kleiderkreisel.

Kurz darauf fing mein Arbeitsleben in einem kleinen Krankenhaus an, welches zuvor schon umfassend vom Virus befallen worden war und stürzte mich mitten ins Geschehen. Gleichzeitig zog ich vorübergehend in eine Mutti/Coole Architektin-WG in einem spießigen Stadtteil ein und fühlte mich bei beidem überwiegend fehl am Platz. 

Fortwährend hieß es 6 Stunden am Tag Maske tragen, mal MNS, mal FFP, welche sich nun während der immer wieder heranrollenden Wellen durchsetzte. Tja, die 100%ige Keimfreiheit gab leider dann doch nicht, was mir spätestens im November klar wurde, als nach und nach Kolleginnen verschwanden und in Quarantäne gesteckt wurden. Eines Morgens saß ich plötzlich alleine da und sollte die potentiell nicht infizierten Patienten "einfach nochmal behandeln", am nächsten Tag hieß es Betten umschieben, Stationen wurden dichtgemacht, im Dezember das ganze Haus. Ich hatte 1-2 Monate unerwartet frei, hatte ich mir zuvor schon heimlich gewünscht, auch mal in Quarantäne zu müssen angesichts der nicht so chilligen Arbeitsatmosphäre. Nun gewöhnte ich mich ans Nichtstun, arbeitete anschließend aber auch nur entspannte 2-4 Stunden am Tag aufgrund des immer noch nicht voll belegten Hauses. Fortan ging das Stäbchen-in-Mund-und-Nase-Gestecke los, mein Kollege Bernie mokierte sich zuverlässig weiterhin über die Masken und die Maßnahmen-Konformität und zeigte uns Youtube-Videos, was immer eine gern gesehene Abwechslung war. 

Zwischendrin gab es noch die große Impfdiskussion und einen Impfflirt, eine ausgefallene Silvesterparty und viele Essensbestellungen. Zum Schluss legten wir uns sogar noch ein Corona-Haustier zu und sind wahrscheinlich mittlerweile so sehr gealtert, dass wir auch gleich eine Familie gründen können. Wenn in 30 Jahren die Clubs wieder öffnet, werden wir eh zu uncool sein um hinzugehen. 

Zurzeit bin ich schon wieder halb ins Nichtstun abgerutscht aufgrund vermeidbarer Verletzungen bei der Frühstückszubereitung und anschließender Erkältung. Tja sehr arbeitsintensiv kann man das letzte Jahr nicht nennen, irgendwie crazy times die sich mittlerweile fast normalisiert haben. 

Mal gucken, was noch kommt. Vielleicht wird der Sommer ja wieder nice! Aber in schweißtropfenden Partykellern sich an fremden Körpern zu reiben wird wohl sehr lange, wenn nicht gar für immer, ein zuletzt im Winter 2019/2020 gern erlebtes Phänomen bleiben.


Lebensweisheit des Tages

 " 'Wenn es nicht ab und zu dunkel würde, könnte man sich über das wiederkehrende Licht nicht freuen'.

...ich brauche auch den Wechsel der Jahreszeiten in jedem Jahr. Schönen Schnee brauche ich ebenso wie warme schwüle Sommertage. Ich fliehe nicht vor schlechtem Wetter wie viele Menschen im Zeitalter des augenblicklichen Überflusses... lieber wie die Ölsardinen in Spanien am Strand als den grauen November hier verleben. 

Jede Zeit hat schöne Seiten. Natürlich kann man im Herbst keine Frühlingsblumen erwarten. So ist es auch mit dem Lebenslauf. Wer Wunder erwartet, macht sich lächerlich. 

Jeder muss wohl seine eigenen Fehler im Leben machen und daraus lernen. Ein Patentrezept, welches von Generation zu Generation ganz einfach übernommen werden kann, gibt es leider nicht. " 

-kluge Worte von Oma