Freitag, 12. Juni 2015

Des Nachts im feuchten Gras

Manchmal muss man so tun, als ware man jemand anders.
Man muss so tun, als ware man jemand anders, um Sachen zu machen, für die man normalerweise nicht genug Arsch in der Hose hätte. Die Sachen, vor denen man zurückschreckt und sich hinter Hecken versteckt, daumenlutschend und mit dem Teddy fest in der anderen Hand.
In Zeiten, in denen man denkt, nichts auf die Reihe zu kriegen und sich in Auswegen und Ausreden verläuft, die sich in den Sofaritzen festsetzen und Heimlich doch für alle Ewigkeit bleiben.
In solchen Zeiten muss man sich in den Arsch beißen, den man ja gar nicht in der Hose hat, an den man allerdings ansonsten auch nicht mit den Zähnen rankommen würde. -Egal- das muss man zumindest machen oder alternativerweise einen Vielsafttrank brauen, um sich in eine andere Person zu verwandeln.
Die Ausreden sind nämlich "Lieber nichts riskieren, dann passiert mir auch nichts" oder "Andere können das viel besser als ich" und deswegen bleib ich lieber bei dem, was ich sonst immer gemacht habe.
Vielleicht zerrt die Zukunft grad an einem, sie zieht an deinem Arm, will dich aus der Gegenwart reißen, ungeduldig, wie ein quengelndes Kind tippt sie dir immer wieder mit dem Finger von hinten auf die Schulter, will dich ablenken, von dem was du grade tust. Macht dir gleichzeitig Vorwürfe wie deine Eltern, dass du nicht vernünftiger bist, nicht zielorientierter lebst. Und deswegen wirst du zu der Person, die lieber früh schlafen geht und tagsüber die To-Do-Liste abarbeitet, was eigentlich immer so anstrengend ist, dass man abends nicht mehr viel Zeit hat, höchstens für ein Schwarzbrot mit Leberwurst und laktosefreier Margarine. Also schnell danach die Zähne putzen und ab ins Bett, um morgens wieder zu funktionieren.
Obwohl man eigentlich insgeheim lieber jemand wäre, der durch die Nacht tanzt und weich auf nach Heuherberge duftenden Wiesen landet, um neue Sternbilder zu entdecken. Wenn man die ganze Zeit nur einen einzigen Stern anguckt und nicht aus den Augen lässt, verschwinden alle Sterne um ihn herum. Und wenn man in eine schwarze Lücke zwischen den Sternen guckt, verschwinden alle Sterne und es ist plötzlich nicht einmal mehr ein einziger zu sehen. Eigentlich dürfte es gar keine schwarzen Lücken zwischen irgendwelchen Sternen geben, denn wenn es unendlich viele Sterne gibt, dann müssten überall welche sein und nirgends am Himmel wäre mehr Dunkelheit. Er würde glitzern und funkeln, der Himmel, würde strahlen wie der pailletenbesetze obere Teil meines zu engen, weinend auf dem Fußboden liegenden Ballkleids.
Ging ganz leicht, sich in die Sternenfängerin zu verwandeln. Ich habe mir Smokey Eyes gemacht, ein paar traurige Lieder gehört und bin aus der Terassentür geschlichen. Dann habe ich das mit den Sternen ausprobiert. Und mit den Sternen waren irgendwann auch alle Geräusche verschwunden: Der rauschende Wind in den Blättern. Neue Kleider tragen die Bäume, stolz und vor jugendlicher Vitalität strotzend flattern sie in der lauen Sommernacht. Und solange man ganz still da liegt und sich nicht bewegt, kann man sich vorstellen, es wäre nicht kalt. Man kann das eigene Blut in den Ohren nicht mehr unterscheiden vom Rauschen der Blätter. In diesem Zustand- blind und taub, kann man sich leicht einbilden, dass man keine Angst vor den Monstern im Gebüsch hat. Auch wenn das in echt nicht stimmt. Denn spätestens, wenn man ganz genau weiß, dass da ein Mann im Dunkeln steht, der einen einfach nur beobachtet und der vorher noch nicht da war.. und dann merkt dass es nur der Mülleimer neben der Bank ist.. da kann man sich dann selbst nichts mehr vormachen. Was im Allgemeinen fast immer eine ganz schlechte Idee ist.
Tja, der innere Teddybär entlarvt einen am Ende eigentlich meistens und dann muss man einsehen, dass man nicht so cool wie das Mädchen mit den nur im Fernsehen verrucht aussehenden Smokey Eyes und den zerissenen Klamotten ist.
So ist es genau jetzt, denn ich mache mich selbst lächerlich und zum Affen, gebe mir die Blöße, pseudophilosophische Schriften öffentlich vorzutragen anstelle eines literarisch anspruchsvollen, intellektueller klingenden Werkes. Habe verzweifelt nach einem bedeutenden THema, nach einem attraktiven lyrischen Ich gesucht, sogar im Abstellraum unter der Treppe. Aber Worte, genau so wie Tage, Momente, Leute gewinnen dadurch an Bedeutung, dass man sie ihnen schenkt. Worte zeigen Wirkung, in dem man sie schreit, sie herausschleudert anstatt zu flüstern. Hatte geplant so zu tun,  als wäre ich in der Lage, ein kontrovers diskutiertes Thema überraschend aus einem völlig neuen Blickwinkel zu beleuchten und damit alle Erwartungen zu übertreffen. War ich aber nicht, aber dann habe ich gedacht, scheiß drauf und mir vorgestellt, wie ich meinen Text mit der Stimme einer erfahrenen Autorin vorlese. Deswegen hab ichs dann einfach gemacht.
Und ich hoffe, dass es niemals so viel Licht auf der Erde geben wird, dass man keine Sterne mehr sieht. Dann gäbe es nicht mal mehr dunkle, leere Löcher zwischen den Sternen. Sondern gar nichts mehr, der Himmel wäre nicht mehr da.
Je nachdem, welche Person man dann wäre, würde die Welt mit dem Himmel verschwinden oder neu erfunden werden wollen. Für welche Rolle wir uns entscheiden und wie gut wir sie spielen, liegt an uns.




 

1 Kommentar:

  1. WOW! Ich bin geflasht ... viel zu viele Anregungen auf einmal für mein Hirn
    Für mich klingt das literarisch anspruchsvoll und intellektuell!

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